Bedingungslose Liebe - Das ist ein Begriff, der mir vor einigen Jahren nie im Leben zu meinem Körper eingefallen wäre!
Denn wenn du mich fragst, was ich an meinem Körper schön finde, dann muss ich dir sagen: Eigentlich gar nichts. Meine Brüste, ja, die sind vielleicht okay und natürlich der Klassiker: Meine braungrünen Augen. Aber ansonsten habe ich jeeeeden angeblichen Makel, den du unter der Sonne finden kannst: Cellulite CHECK, Hip Dips CHECK, Winkearme CHECK, Dehnungsstreifen CHECK, ja ich hab sogar ne kleine Fettschürze. Bei jeder Untersuchung vom Schönheitschirurgen wäre mein nackter Körper übersäht mit rot markierten Anweisungen dafür, was weg zu schnibbeln ist. Viele dieser “Makel” sind das sichtbare Anzeichen dafür, wie schlecht ich meinen Körper früher behandelt hab. Ganz klischeehaft habe ich mit 11 meine erste Diät gemacht, ein (damals noch unbewusster) Ausweg aus dem Drama, welches sich in meiner Familie und den Streits meiner Eltern abspielte. Ich war außerdem ein eher seltsamer Teenager und sah große Hoffnung darin, “schlank und schön” zu werden und dadurch die Leere zu füllen, die ich spürte, weil ich anders war als meine beliebten Klassenkameradinnen. Das Gymnasium auf das ich ging, wurde besucht von den Kindern gut betuchter Eltern, die Rechtsanwälte waren, große Häuser auf dem Land hatten und ihre Ferien in Südafrika verbrachten, und ich?
Wohnte in einer Mietwohnung und hatte zwei kreative Chaoten als Eltern, die sich abends in der Küche zofften. Für mich begann also früh ein Kreislauf aus Hungern - Essen - Hungern und damit quälte ich meinen Körper über Jahre. Ich war wie der Mond, entweder am abnehmen oder am zunehmen, aber niemals einfach zufrieden mit dem, was da war. Niemals habe ich meine Phasen akzeptiert, ich war immer dabei, was zu verändern. Das aufzuschreiben, tut immer noch weh. Es schmerzt, nachzuempfinden, wie ich mich früher verachtet, diesen wichtigen Teil von mir abgelehnt habe. Wie ich MICH abgelehnt habe. Denn obwohl wir immer denken, dass unser Körper getrennt von uns existiert, etwas ist, was wir formen, beherrschen und uns untertan machen können, so ist er doch nicht getrennt von uns. In Hillary L. PhD McBrides Buch “The Wisdom of the Body” las ich vor kurzem den Satz: “You don’t have a body. You are a body.” und das ist so wahr. Ich gehöre mit meinem Körper zusammen. Und so begann ich irgendwann, als ich nicht mehr konnte, mich auf die Heilungsreise zu begeben, um meinen Körper zu akzeptieren und ja, sogar zu lieben.
Und das war ganz anders, als ich es früher gedacht hätte, denn ich passte nicht mein Aussehen an und liebte mich anschließend, nein: Ich begann, mich liebevoll zu behandeln und das führte dazu, dass ich mich lieben lernte. Das Gefühl folgte den Taten. Ich fing zum Beispiel an, meinem Körper nichts mehr an Nahrung vorzuenthalten, strich die Worte “gesund und ungesund” aus meinem Wortschatz, wenn es um Essen ging und gönnte mir nach Jahren voll-fetten Joghurt und Chips ohne schlechtes Gewissen. Wen du liebst, den hungerst du nicht aus, sondern nährst ihn. Ich begann, Yoga zu machen und streichelte mich selbst mit sanften und herausfordernden Bewegungen und der Stimme der Lehrerin, die sagte “Alles darf sein.” Wen du liebst, den lässt du eigene Wege finden und quälst ihn nicht mit Dingen, die er gerade nicht kann. Und ich verliebte mich in mein Spiegelbild, betrachtete mich dabei, wie ich mich bewegte, wenn ich bestimmte Asanas einnahm und verstand auf einmal, dass ich nicht die Summe meiner Makel war, sondern ein einzigartiges Wesen, das in seiner Komplettheit wirkt.
Diese Erkenntnis veränderte alles. Ich verstand, dass wir kollektiv den Wert von Körpern so sehr mit dem Aussehen verknüpfen, dass die Idee bedingungsloser Liebe für die meisten unerreichbar scheint. Aber diese Liebe kann unabhängig vom Aussehen entstehen. Sie muss es sogar, denn das Aussehen ist vergänglich, selbst wenn man noch so wunderhübsch und jung und straff ist. Ich entschied mich dazu, mich selbst bedingungslos zu lieben, egal, welche Makel ich an mir finde. So, wie ich beispielsweise auch meinen Hund liebe - es ist mir völlig egal, wie sie aussieht, ob sie voller Schlamm vom Spaziergang kommt, ob sie alt wird und immer mehr graue Haare ihre Schnauze zieren, ich bin für sie da. Bedingungslos. Und genauso bin ich für meinen Körper da. Denn egal welche Phase er gerade durchläuft, egal, wie er aussieht, wie alt er ist, wie er “performt”, er hat es immer verdient, dass ich ihn liebe. Denn wer wäre ich ohne meinen Körper? Durch ihn erlebe ich meine Umwelt und erfahre sinnlich die Welt. Mein Körper und ich haben es verdient, dass ich für mich da bin, auch, wenn ich mal was nicht schön finde, auch wenn ich damit hadere, dass mir mein Mantel nicht mehr passt, weil ich Coronakilos gesammelt hab. Ich liebe mich trotzdem. Und lieben ist in diesem Fall wirklich ein Verb: Ich bin für mich da und unterstütze mich. Die Reise hin zur Körperliebe hat mich demütig gemacht. Ich bin (meistens) gesund, stark und fit. Wieso sollte ich mich nicht lieben? Wenn nicht jetzt, wann dann? Ich möchte nicht als 80-Jährige zurückblicken und sagen “Ich habe nicht ausreichend geschätzt, was da war. Ich habe nicht gesehen, wie gut ich es hatte. Und ja, auch: Wie schön ich eigentlich war. Egal, ob da ne Fettschürze hängt.” Ich weiß es bereits jetzt zu schätzen, wie wunderbar ich bin. Alle Teile von mir, die schönen, die hässlichen, die hängenden, die straffen, die zarten und die kratzigen, alle. Und jede Phase von mir, die dünnen, die dicken, die müden, die wachen und die einsamen und geselligen. Ich bin ich. Und ich bin grenzenlos und bedingungslos liebenswert, so wie ich bin
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